DÜRR-Interview: Steuerliche Belastung von Unternehmen verringern

Der FDP-Fraktionsvorsitzende Christian Dürr gab der „Stuttgarter Zeitung“ das folgende Interview. Die Fragen stellten Tobias Peter und Tobias Heimbach.

Frage: Herr Dürr, kennen Sie den aktuellsten politischen Kalauer: Wofür steht FDP?

Dürr: Wenn Sie schon so fragen, klar, kenne ich. Angeblich für: „Fast drei Prozent“. So neu ist der Witz auch wieder nicht. Und glücklicherweise gibt es auch andere Umfragen.

Frage: Im Ernst, muss die FDP sich um ihre Existenz sorgen?

Dürr: Seit 75 Jahren wird diese Frage immer wieder gestellt. Schon in 1950er Jahren wurde der FDP ihr Untergang prophezeit. Die Frage ist doch: Gibt es eine andere politische Kraft, die das vereint, wofür die FDP steht? Die Antwort lautet nein. Keiner tritt einerseits für Bürgerrechte und andererseits für wirtschaftliche Freiheit und Wachstum ein, wie die FDP es tut.

Frage: Genau am Wirtschaftswachstum fehlt es aber. Wenn Sie allein – ganz ohne Koalitionspartner – entscheiden könnten, was wäre der wichtigste Punkt, den die FDP zusätzlich unternehmen würde, um das zu ändern?

Dürr: Die wichtigste Maßnahme wäre die ersatzlose Abschaffung von vielen europäischen Regeln wie Lieferkettenrichtlinie, Nachhaltigkeitsberichterstattung oder den Flottengrenzwerten. 80 Prozent der Bürokratie, die uns im Wachstum hemmt, kommt mittlerweile aus Brüssel. Ich bin ein leidenschaftlicher Verfechter Europas. Aber auch in Europa darf der Staat nicht so tun, als sei er der bessere Unternehmer. Das kann nicht funktionieren.

Frage: Wir dachten eher an etwas, das Deutschland auch allein umsetzen könnte.

Dürr: Wir müssen die steuerliche Belastung von Unternehmen verringern und damit den Standort stärken. Der einfachste und schnellste Weg dafür wäre, den Soli abzuschaffen. Er ist mittlerweile praktisch eine reine Wirtschaftssteuer.

Frage: Der Haushalt ist auf Kante genäht. Gibt es noch Spielraum?

Dürr: Ja. Wir haben kein Einnahme-, wir haben ein Ausgabenproblem. Der Staat muss Prioritäten setzen. Es gibt einen längerfristigen Trend, dass der Sozialstaat immer größer geworden ist. Das hat aber nicht zu mehr Wohlstand geführt. Mit der Wachstumsinitiative machen wir das Bürgergeld treffsicherer. Die Sanktionen für diejenigen, die nicht arbeiten wollen, werden noch einmal härter. Das gilt auch für die Zumutbarkeitsregeln, welcher Job übernommen werden muss. Auch lange Arbeitswege dürfen kein Hindernis sein. Wer arbeiten kann, muss es auch tun.

Frage: Warum plant die Ampel dann, Menschen eine Prämie von 1000 Euro allein dafür zu geben, dass sie dauerhaft einen Job übernehmen?

Dürr: Noch einmal: Wir sorgen dafür, dass das Bürgergeld härter und treffsicherer wird, als es Hartz IV jemals war. Das wollen wir mit zusätzlichen Anreizen kombinieren, dauerhaft Arbeit aufzunehmen. Die 1000-Euro-Prämie war nicht unser Vorschlag, und ich plädiere dafür zu prüfen, ob wir stattdessen besser auf andere Instrumente setzen, um unsere Ziele zu erreichen. Das Problem ist die sogenannte Transferentzugsrate. Für eine Alleinerziehende, die einen Teilzeitjob annimmt, macht es derzeit einen zu geringen Unterschied, ob sie arbeitet oder nicht. Den Großteil ihres Lohnes bekommt sie an Unterstützung anderswo wieder abgezogen. Hier brauchen wir intelligentere Lösungen.

Frage: Was würden Sie darüber hinaus am Bürgergeld gern noch ändern?

Dürr: Ein Punkt, den wir uns beim Bürgergeld noch mal ansehen sollten, sind die Regeln für die Übernahme der Wohnkosten und der kompletten Warmmiete. Den Menschen muss schneller zugemutet werden, in eine kleinere und kostengünstigere Wohnung umzuziehen.

Frage: Beim angespannten Mietmarkt in Ballungsräumen kann die Wohnung nach einem Umzug oft teurer sein.

Dürr: Es geht darum, dass alles Mögliche getan wird, um die Kosten zu reduzieren. Arbeit muss der Regelfall sein. Das Bürgergeld ist eine Nothilfe. Es ist eine Frage der Gerechtigkeit, auch bei der Übernahme von Miete und Heizkosten enge Grenzen zu setzen. Viele, die für wenig Geld hart arbeiten, müssen auch sehr genau rechnen, um ihre Wohnung bezahlen zu können.

Frage: Das Sicherheitspaket der Ampel nach dem Terrorangriff von Solingen ist an diesem Freitag im Bundestag. Steht die Mehrheit der Ampel – und sind Sie mit dem Ergebnis zufrieden?

Dürr: Ich gehe fest davon aus, dass es im Bundestag mit den Stimmen der Koalition am Freitag eine Mehrheit für das Sicherheitspaket gibt. Das Gesetz leistet einen wichtigen Beitrag dazu, Ordnung in die Migrationspolitik zu bringen. Es müssen aber noch mehr Schritte folgen. Die irreguläre Migration nach Deutschland muss wirksam bekämpft werden. Ich schlage vor, dass die Partei- und Fraktionsvorsitzenden der Koalition und von CDU und CSU zusammenkommen, um über weitere Maßnahmen zu sprechen. Das Thema Migration kann nur gemeinsam gelöst werden, denn wir brauchen auch die Bundesländer. Das hat das schreckliche Attentat von Solingen gezeigt.

Frage: Ausreisepflichtigen Asylbewerbern sollen Leistungen gestrichen werden, wenn nach den sogenannten Dublin-Regeln ein anderes EU-Land für sie zuständig ist und einer Ausreise nichts im Weg steht. Reicht Ihnen diese Regelung aus?

Dürr: Es ist ein guter Schritt, dass wir die Sozialleistungen für diejenigen streichen, die nach den EU-Regeln ausreisen müssen. Das sollten wir auf weitere ausreisepflichtige Asylbewerber ausweiten. Auch für diejenigen, für die kein anderes EU-Land zuständig ist, sollte es nur Bett, Brot und Seife geben, wenn sie ausreisepflichtig sind. Dann werden auch mehr Menschen freiwillig das Land wieder verlassen. Deutschland braucht Zuwanderung, aber eben qualifizierte in den Arbeitsmarkt. Zuwanderung ins Sozialsystem können wir uns nicht länger leisten.

Frage: Das Parteiensystem wird kleinteiliger – die Ampel dürfte nicht die letzte Dreierkonstellation gewesen sein. Hat die FDP in dieser Legislaturperiode gezeigt, dass sie für solch komplizierte Bündnisse geeignet ist oder nicht?

Dürr: Koalitionsregierungen sind immer eine Herausforderung. Die FDP streitet für die Sache. Dafür, dass Deutschland eine gute Zukunft hat. Es geht um die richtigen Inhalte. Quatsch machen wir nicht mit – egal in welcher Konstellation.

Frage: Wenn es einen Film über die FDP-Zeit in der Ampelkoalition gäbe, was wäre der passende Titel?

Dürr: Mal überlegen, das ist gar nicht so leicht. Ich finde, irgendwie hat unsere Zeit in der Ampel ein bisschen etwas von „Kevin – Allein zu Haus“. Meistens kämpft man allein. Aber am Ende steht man auf der Gewinnerseite.