DÜRR-Interview: Wir brauchen eine Wirtschaftswende und mehr wirtschaftliche Dynamik

Der FDP-Fraktionsvorsitzende Christian Dürr gab der Neuen Osnabrücker Zeitung das folgende Interview. Die Fragen stellte Rena Lehmann.

Frage: Herr Dürr, wie wollen Sie die Wirtschaft wieder flott kriegen? 

Dürr: Wir haben bereits eine Einkommensteuerentlastung mit einem Gesamtvolumen von 50 Milliarden Euro beschlossen. Das ist wesentlich mehr als Vorgängerregierungen auf den Weg gebracht haben. Ich habe aber wenig Verständnis dafür, dass die Union steuerliche Entlastungen für unsere Unternehmen derzeit blockiert. Insbesondere die Baubranche würde vom Wachstumschancengesetz erheblich profitieren. Ich setze darauf, dass es bis zur Abstimmung im Bundesrat am 22. März noch einen Sinneswandel gibt. Die Union ist in der Pflicht, weil sie diese Art von Reformpolitik in den letzten Jahren nicht zustande gebracht hat. 

Frage: Ist die FDP eigentlich dabei, sich schleichend aus der Koalition zu verabschieden? Erst stoppen Sie das Lieferkettengesetz der EU, jetzt machen Sie beim Demokratiefördergesetz nicht mit…

Dürr: Es geht um unser Land. Wir brauchen eine Wirtschaftswende und mehr wirtschaftliche Dynamik. Der Jahreswirtschaftsbericht ist doch eine Aufforderung. Wir haben jetzt ein Wachstum von 0,25 Prozent. Das ist viel zu wenig und das Ergebnis mangelnder Reformpolitik in den letzten eineinhalb Jahrzehnten. In einer solchen Phase die Wirtschaft mit neuer Bürokratie zu überschütten, halte ich für grundfalsch. Das hat nichts mit Koalitionsgeplänkel zu tun. 

Frage: Sie haben angekündigt, den nächsten Bundeshaushalt auf wirtschaftliche Dynamik auszurichten. Was heißt das konkret?

Dürr: Die Geschichte lehrt doch, dass unsere ökonomische Stärke unmittelbar mit unserer geopolitischen Stärke verbunden ist. Der eiserne Vorhang ist doch auch deshalb gefallen, weil der Westen der Sowjetunion ökonomisch überlegen war. Diese wirtschaftliche Überlegenheit gegenüber Systemrivalen hat auch heute eine immense Bedeutung. Es ist eine Frage von Frieden und Freiheit. Deshalb müssen wir alles dafür tun, dass unsere Wirtschaft wieder nach vorne kommt. So könnte man den Solidaritätszuschlag schrittweise abschaffen, der heute eine reine Wirtschaftssteuer ist.

Frage: In dieser Woche legten Heil und Lindner gemeinsam eine Rentenreform vor. Bundeskanzler Scholz spricht von Respekt gegenüber Rentnern, wenn das Rentenniveau bei 48 Prozent gehalten wird. Die Beiträge müssen dafür aber in den nächsten Jahren steigen. Gilt der Respekt nicht auch Arbeitnehmern und Arbeitgebern? 

Dürr: Das ist ja der Grund, weshalb wir das Generationenkapital einführen. Das ist eine Jahrhundertreform für Deutschland. Wir hätten heute sicherere Renten und niedrigere Beiträge, wenn wir den Kapitalstock bereits früher eingeführt hätten, dafür hatten Vorgängerregierungen aber nie die Kraft. Wir bringen jetzt endlich mehr Kapitaldeckung ins Rentensystem. Heute ist es so, dass diejenigen, die hart arbeiten, denen die Rente finanzieren, die hart gearbeitet haben. Wir müssen die Rente sicher machen für die, die hart gearbeitet haben, aber auch für die, die künftig im Arbeitsleben sind. Wenn wir explodierende Sozialbeiträge bekommen, bremst das wiederum die wirtschaftliche Dynamik. Das müssen wir verhindern. Richtig wäre daher in einem nächsten Schritt, das Renteneintrittsalter zu flexibilisieren und die Kapitaldeckung noch weiter auszubauen.

Frage: Arbeitgeber warnen davor, dass die Abgabenlast über 40 Prozent des Bruttolohns steigt. Werden Sie darunter bleiben können? 

Dürr: Es ist unser Ziel, dass die Abgabenlast nicht steigt. Sie muss bei 40 Prozent oder besser noch darunter bleiben. Die Lohnnebenkosten müssen stabilisiert werden. 

Frage: Die Kritik der Opposition an der Aktienrente fällt verheerend aus. Spielen sie mit Rentenbeiträgen Casino?

Dürr: Ein absurder Vorwurf. Wir stellen die Rente auf breitere Füße und profitieren davon, dass wir an den Aktienmärkten Rendite erzielen. Diese Form der Altersversorgung führt in Dutzenden Ländern der Welt dazu, dass Menschen im Alter ein gutes Einkommen haben. Das ist für Deutschland vielleicht noch ein Lernprozess, aber wir müssen ihn gehen. 

Frage: Eine bundeseinheitliche Regelung zur Bezahlkarte für Asylbewerber soll nächste Woche im Bundestag beschlossen werden. Was erhoffen Sie sich davon?

Dürr: Die Bargeldauszahlung ist ein wirklicher Pullfaktor für viele, sich auf den Weg nach Deutschland zu machen. Bei den Landkreisen, die die Bezahlkarte bereits haben, zeigt sich, dass sie sehr gut funktioniert. Die Länder müssen sie nun so schnell wie möglich flächendeckend einführen. Wir schaffen die Rechtssicherheit im Bundestag in der kommenden Woche. Das Signal aus Deutschland in die Welt muss klar sein: Wir werden unseren humanitären Verpflichtungen gerecht, aber niemand kann mehr damit rechnen, dass er oder sie Bargeld erhält. Die Auszahlung von Bargeld darf kein Faktor mehr sein, warum Menschen nach Deutschland kommen. Oder um es auf den Punkt zu bringen: Es muss leichter sein nach Deutschland zu kommen, um zu arbeiten als nicht zu arbeiten.